Das Wort Familienplanung lässt vermuten, dass das Kinderkriegen wie ein Projekt organisiert und umgesetzt werden kann. Doch bei etwa jedem sechsten Paar in Österreich klappt es mit der gewünschten Schwangerschaft nicht auf Anhieb. Von einem unerfüllten Kinderwunsch spricht man erstmals, wenn nach einem Jahr regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eingetreten ist. Spätestens dann sollte unbedingt ärztlicher Rat eingeholt werden.
„Viele Paare warten leider zu lange, bis sie den Weg in die Kinderwunschklinik gehen“, weiß Univ. Prof. Dr. Heinz Strohmer, Gründer und Leiter des „Kinderwunschzentrum an der Wien“. Seit Mai 2020 bietet die etablierte Einrichtung am neuen Standort das größte und modernste Institut für Reproduktionsmedizin in Österreich.
Kaum einem Paar fällt der Weg in die Kinderwunschklinik leicht. Denn letztendlich verabschiedet man sich damit von der Hoffnung, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Ist schließlich die Entscheidung gefallen, sich medizinische Hilfe zu holen, beginnt die Suche nach der besten Einrichtung. Hierfür sollte man sich als Paar ausreichend Zeit nehmen und miteinander die persönlichen Bedürfnisse und Prioritäten klar definieren. Hier wichtige Fragen, die man sich im Vorfeld stellen sollte.
WIE HOCH SIND MEINE CHANCEN, SCHWANGER ZU WERDEN? Unter 30 Jahren hat eine Frau in einem natürlichen Zyklus eine ca. 25 %ige Chance schwanger zu werden. Bereits ab dem 30. Lebensjahr beginnt die Fruchtbarkeit zu sinken: Mit 40 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit pro Zyklus nur mehr bei zehn Prozent. Und auch beim Mann verschlechtern sich Qualität und Beweglichkeit der Spermien mit steigendem Alter.
„Die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit bei einer IVF beziehungsweise ICSI ist in erster Linie vom Alter abhängig. Ab einem bestimmten Alter entspricht die Schwangerschaftsrate eines IVF-Zyklus dem des natürlichen Zyklus. Einzig durch den gleichzeitigen Transfer von mehreren Embryonen kann die Chance pro Versuch gegenüber der natürlichen Schwangerschaftsrate gesteigert werden. Diese paar Prozent erkauft man sich mit einem erhöhten Risiko für Mehrlingsschwangerschaften“, erklärt Strohmer.
Eine gute IVF-Klinik wird darüber seriös informieren. „Ich kann einer 44-jährigen Frau nicht sagen: Das kriegen wir schon hin. Weil das einfach nicht stimmt. Ihre Chance, mittels künstlicher Befruchtung ein gesundes Kind zu bekommen, liegt bei einem Prozent. Da müssen auch gewisse Machbarkeitsvorstellungen zurechtgerückt werden“, macht Strohmer deutlich. „Angaben zu Erfolgschancen sind immer nur Durchschnittswerte – bei vielen Patientinnen sind sie besser als der Altersdurchschnitt. Am besten lässt man sich basierend auf den Befunden individuell dazu beraten.“
WIE FINDE ICH EIN ZERTIFIZIERTES IVF-ZENTRUM? Kinderwunschbehandlungen werden in Österreich in über 30 dafür zertifizierten Zentren in allen neun Bundesländern angeboten. Eine Übersicht aller IVF-Zentren findet man auf der Website der Österreichischen IVF-Gesellschaft (http://www.ivf-gesellschaft.at). Mit Ausnahme eines einzigen Zentrums in Wien sind alle Zentren Vertragspartner des IVF-Fonds.
„Kinderwunschpaare sind in Österreich grundsätzlich auf der sicheren Seite, denn alle Zentren müssen strenge Auflagen erfüllen. Alle Einrichtungen werden von der Gesundheitsbehörde AGES alle zwei Jahre routinemäßig einer strengen Inspektion unterzogen“, so Strohmer. Und das ist gut so, schließlich geht es hier um sehr viel. „Es darf schlichtweg nicht passieren, dass im Labor Proben vertauscht werden – das wäre fatal. Eine lückenlose Qualitätssicherung hat oberste Priorität, um sämtliche Fehlerquellen auszuschließen. In unserem Zentrum verwenden wir hierfür ein europaweit einzigartiges elektronisches Matching-System“, erläutert Strohmer.
WIE KANN ICH KONTAKT MIT EINEM IVF-ZENTRUM AUFNEHMEN? Die meisten Kinderwunschkliniken bieten in regelmäßigen Abständen kostenlose Informationsveranstaltungen an. Dieses Angebot sollte man unbedingt wahrnehmen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Meist bekommt man die Räumlichkeiten gezeigt und erhält einen Überblick über die Einrichtung. Anschließend kann man sich in Ruhe überlegen, ob man ein kostenpflichtiges Erstgespräch vereinbaren möchte.
Das Erstgespräch dauert etwa eine Stunde und ist der erste große Schritt auf der Kinderwunschreise. Der/die Ärzt*in wird dabei eine genaue Anamnese erheben und durch strukturiertes Fragen herauszufinden versuchen, warum es bislang zu keiner Schwangerschaft gekommen ist. Sind alle Informationen vorhanden, so werden alle in Frage kommenden Behandlungsmöglichkeiten besprochen und ein individueller Therapieplan erarbeitet.
Empfehlenswert ist es, sich im Vorfeld eine Liste von Fragen zusammenzustellen. Auch sollte man keine Scheu haben, Dinge die man nicht verstanden hat, nochmal nachzufragen. Nach dem Erstgespräch können die meisten Paare gut abschätzen, ob sie sich in diesem Zentrum gut betreut fühlen und eine Behandlung beginnen wollen.
WELCHE SPEZIAL- UND ZUSATZANGEBOTE SIND MIR WICHTIG? Kinderwunschkliniken unterscheiden sich auch durch Spezialmethoden, die sie anbieten. „Das sind vor allem Methoden, die nur für einen kleinen Teil der Betroffenen relevant sind oder bei denen das Zentrum eine gewisse Größe haben muss, um die benötigte Ausstattung, Frequenz und Erfahrung zu haben“, erläutert Strohmer. Beispiele sind die Entnahme von Hodengewebe, genetische Analysen von Eizellen und Embryonen, TimeLapse-Technologie oder die Betreuung von Patienten mit Infektionskrankheiten wie Hepatitis B und C oder HIV. Auch bei Paaren, die einen Samenspender benötigen, lohnt sich ein genauer Blick bei der Auwahl des Zentrums. „Nur ein paar wenige Zentren betreiben eine eigene Samenbank, zahlreiche andere Zentren kaufen hingegen Proben aus Dänemark zu“, weiß Strohmer zu berichten.
Viele Zentren bieten zudem eine ganze Reihe von begleitenden Zusatzleistungen an. Das reicht von einer Beratung zur optimalen Ernährung während der Kinderwunschzeit über komplementärmedizinische Methoden wie Akupunktur und Homöopathie bis hin zu einer psychologischen Betreuung.
WAS SAGT MEIN BAUCHGEFÜHL? Genauso wichtig wie eine medizinische Betreuung auf höchstem Niveau ist, dass man sich emotional gut aufgehoben und ernst genommen fühlt. „Jedes gute Zentrum muss sich darum kümmern, Störfaktoren zu vermeiden und die Behandlung so angenehm und sorgenfrei wie möglich zu gestalten. Denn die Patientinnen stehen ohnehin schon unter einem enormen Druck“, weiß Strohmer aus Erfahrung. Und alles, was das Wohlbefinden steigert, unterstützt letztlich die Erfolgschancen.
Übersicht Kinderwunschkliniken in Österreich
Wie funktioniert die künstliche Befruchtung?
Klinikguide.at-Autorin: Irene Senn
Bildnachweis:
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