UNSER EXPERTE:
Von 2017 bis 2022 stand der Humangenetiker und Facharzt für klinische Chemie und Labordiagnostik der Österreichischen Ärztekammer vor. Ab sofort bringt Dr. Thomas Szekeres sein fundiertes Wissen im KLINIKGUIDE ein.
Herr Dr. Szekeres, sie haben sich nach dem Ausscheiden als Präsident der Österreichischen Ärztekammer spontan entschlossen, sich mit ihrem medizinischen Fachwissen in unseren KLINIKGUIDE einzubringen. Wo werden Ihre Kernbotschaften liegen?
Wir leben in einem Land mit einer sehr guten Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau. Trotzdem fühlen sich viele Menschen dabei überfordert, die richtigen Schritte zu setzen, wenn sie medizinische Hilfe benötigen. Wo gehe ich hin wenn es mir schlecht geht, wie finde ich den richtigen Spezialisten für einen planbaren Eingriff oder an welches Krankenhaus wende ich mich mit meiner Sache? Ich glaube, wir unterschätzen, wie wichtig es den Menschen gerade in solchen Situationen ist, Hilfe und Unterstützung zu finden.
Das bedeutet, sie erklären hier die medizinischen Zusammenhänge rund um Eingriffe?
Das allein wäre zu wenig. Es geht vor allem auch stark darum, die richtigen Wege aufzuzeigen. Viele Menschen haben ganz selten mit der Medizin zu tun und finden sich einfach nicht zurecht.
Gemäß einem früheren Werbeslogan der Stadt Wien gilt Wien als Stadt, in der „die Medizin zur Schule ging“ – wie sehen sie den Medizin-standort heute im internationalen Vergleich?
Aus historischer Sicht war Österreich immer eines der Weltzentren der Medizin. Sieht man von den Unterbrechungen während des Dritten Reiches ab, hat sich seit der Zeit von Kaiserin Maria-Theresia, von der die ersten großen Impulse dazu kamen, bis heute nichts geändert. Wir haben eine hervorragende Medizinische Universität und eine Reihe sehr guter Spitäler. Und jüngst hat die Pandemie gezeigt, dass unser Gesundheitssystem weit besser funktioniert als anderswo und die Menschen gut versorgt werden konnten. Freilich, das Angebot an Mitarbeiter*innen könnte besser sein. Das betrifft den Pflegebereich genauso wie den medizinischen Bereich.
Also stehen wir jetzt gut da oder nicht?
Die Probleme sind zurzeit in ganz Europa dieselben – wobei Österreich, Deutschland und die Schweiz bei weiten besser dastehen als die anderen Länder. Wenn wir vermeiden wollen, dass uns die Ärzt*innen davonlaufen, werden wir nicht umhin kommen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um unseren Standard halten zu können. Und bedenken sollten wir auch, dass die Baby-Boomer-Generation dabei ist, sich gerade in die Pension zu verabschieden.
Ein weiterer Werbeslogan lautete „Spitzenmedizin für alle“ – stimmt das heute so noch?
Sie werden wenige Länder finden, in denen Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen besser ausgestattet sind als bei uns. Unser AKH gehört zu den weltweit fortschrittlichsten Kliniken überhaupt. Egal ob Herztransplantation oder andere lebensbedrohende Situationen, unsere Kliniken stehen allen offen, und Akutfälle landen nicht auf der Warteliste. Da wird unter den Patient*innen kein Unterschied gemacht. Anders ist es bei kleineren, oft planbaren Eingriffen, dort gibt es die Option neben einem öffentlichen Krankhaus auch in einer privaten Klinik behandelt zu werden. Dort sind die Wartezeiten weniger lang, und man kann sich den Arzt oder die Ärztin seines Vertrauens aussuchen. Behandlungskosten und Krankenhausaufenthalt muss man jedoch selbst bezahlen, wenn die Leistungen nicht durch eine private Krankenzusatzversicherung abgedeckt sind. Hier geht es aber primär um Eingriffe, die in der Regel warten können. Aber noch einmal generell gesagt, die medizinische Qualität und die Einrichtungen unserer Spitäler stehen allen offen. Egal ob privat oder nicht!
Losgelöst von ihrer Funktion als Labormediziner waren sie bis zum Sommer 2022 auch Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Wie sehen sie die Differenz zwischen Halbgott in Weiß und zu Tode gemobbter Landärztin – was sind die großen Herausforderungen für angehende Ärztinnen und Ärzte?
Ärzt*innen tragen eine hohe Verantwortung, und die Ausbildung bei uns erfolgt auf höchstem Niveau. Wenn wir diese Qualitäten halten wollen, dürfen wir in der Ausbildung nicht sparen. Und nur gut ausgebildete Ärzt*innen sichern unsere hohe Versorgungsqualität. Losgelöst davon bestehen gut ausgebildete Mediziner*innen die Herausforderungen in Krisenzeiten. Ich halte nichts von den Tendenzen, gerade jetzt im Gesundheitssystem einsparen zu wollen. Corona ist noch nicht gegessen, und kollapsartige Zustände wie in Italien sind rasch da, wenn wir jetzt unser Gesundheitssystem herunterfahren.
Die fundierte Ausbildung junger Mediziner*innen, der Pensionsantritt der Generation Baby-Boomer und eine Wertschätzung des Gesundheitspersonals sind Themen, die Dr. Thomas Szekeres – hier im Gespräch mit Journalist Rudolf Mathias – beschäftigen.
War das eine Botschaft an die Regierung?
Trotz der Riesenbelastung für unser Gesundheitspersonal hat die Krise gezeigt, dass unser System funktioniert. Meine Botschaft an die Regierung lautet: Die Pandemie ist noch nicht vorbei, und es ist jetzt nicht gerade sinnvoll, im Gesundheitssystem einzusparen, sondern es gehört mit dem noch frischen Wissen rund um die Krise vor zwei Jahren klug investiert. Zudem muss an den Arbeitsbedingungen und der Wertschätzung des Gesundheitspersonals gearbeitet werden.
Wenn wir Österreich mit Deutschland vergleichen – was ist dort besser als bei uns?
Deutschland hat mehr Kassenärzt*innen. Das würde ich mir für uns auch wünschen – so, dass alle Menschen in unserem Land für jegliche medizinischen Fragen einen niederschwelligen, persönlichen Zugang zu einem Ansprechpartner oder einer Ansprechpartnerin haben. Doch solang es dafür keine Finanzierung seitens der Krankenkassen gibt, wird sich nicht viel ändern …
Dann bitte ich gleich um einen Tipp aus erster Hand: Wann geht man zum Hausarzt oder zur Hausärztin und wann besser in die Ambulanz eines Krankenhauses?
Wir wissen aus Umfragen, das unsere Hausärzt*innen hoch geschätzt sind, und primär sollte man mit allen medizinischen Anliegen auch dorthin gehen. In bedrohlichen Situationen allerdings, also bei Verletzungen oder starken Schmerzen, sollte man sich nicht scheuen, eine Notfall-ambulanz aufzusuchen.
Sie sagen, Corona sei noch nicht vorbei, jetzt hilft das Impfen nicht immer, einer Ansteckung zu entgehen. Haben sie vielleicht einen Tipp, wie man das Risiko, sich im Alltag anzustecken, zusätzlich reduzieren kann?
Ich verwende einen Nasenspray, der einen Film über die Schleimhäute bildet und so hilft zu verhindern, dass sich die Viren ungehemmt ausbreiten können. Man hat entdeckt, dass Grüntee die Vermehrung der Coronaviren massiv einschränkt – das ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen. Ein entsprechendes Medikament gibt’s inzwischen als Spray in den Apotheken. Das ist kein absoluter Schutz, aber hilft hoffentlich. Sonst trage ich in Innenräumen, wenn viele Menschen zusammen kommen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Aufzug Maske.
Was können Patientenanwält*innen erreichen?
Wie lange muss ich auf meine Operation warten?
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Wie gesundheitskompetent sind die Österreicher*innen?
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Bildnachweis:
- © Sebastian Freiler
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