Die medizinische Versorgung in Österreich gilt als eine der besten weltweit. Dennoch verlaufen nicht alle Behandlungen optimal. Für diese Fälle gibt es in Österreich bereits seit Beginn der 1990er Jahre eine hilfreiche Einrichtung und Erstanlaufstelle für Betroffene: die Patientenanwaltschaft. Was können Patientenanwält*innen leisten und wo stoßen sie an ihre Grenzen? Bei Konfliktsituationen im Gesundheitsbereich befinden sich Patient*innen oftmals in einer vergleichsweise schwächeren Position, da sie einem einflussreichen Expertensystem gegenüberstehen. Hier treten die Patientenanwält*innen als ein Sprachrohr für die Betroffenen auf den Plan und sichern deren Rechte und Interessen.
Was sind die wichtigsten Aufgaben der Patientenanwält*innen?
Die Kernaufgabe der Patientenanwaltschaften ist das außergerichtliche Beschwerdemanagement. Das kann ganz verschiedene Arten von Konflikten im Gesundheitsbereich betreffen. „Die Bandbreite der Anliegen, mit denen Menschen zu uns kommen, reicht von persönlichen negativen Erfahrungen, die uns aus Gründen der Qualitätssicherung mitgeteilt werden, bis hin zu potenziell schweren bis schwersten Behandlungsfehlern“, so Dr. Gerald Bachinger. Der Jurist ist seit über 20 Jahren als Patientenanwalt in Niederösterreich tätig und Sprecher der Österreichischen Patienten- und Pflegeanwält*innen. Die meisten Fälle betreffen Krankenanstalten, daneben auch Arztordinationen im niedergelassenen Bereich.
„Außerdem haben wir auch viele Anfragen, die sich aus Unsicherheiten und Informationsmängeln ergeben. Zentrale Themen sind derzeit die Gratistests, der Grüne Pass, die SARS-CoV-2-Impfungen und der elektronische Impfpass“, fasst Dr. Bachinger das Betätigungsfeld zusammen.
Aber das ist längst nicht alles: In letzten Jahrzehnt hat sich das Aufgabengebiet um eine „strukturelle Patientenvertretung“ erweitert. Damit ist gemeint, dass Patientenanwält*innen die Funktion einer Interessenvertretung für Patient*innen wahrnehmen. „Wir sind heute ein akzeptierter und geschätzter Partner in wichtigen Gremien der Gesundheitspolitik“, zeigt sich Dr. Bachinger stolz. „So ist es heutzutage selbstverständlich, dass wir bei Grundsatzentscheidungen wie etwa der Vernetzung von Gesundheitsdaten, dem Aufbau der Primärversorgungszentren oder der Erstattung von Heilmitteln miteinbezogen werden.“
Patientenanwalt Dr. Gerald Bachinger
Was können Patientenanwält*innen für Betroffene erreichen?
„Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht, dass wir im Detail aufarbeiten, ob ein medizinischer Behandlungsfehler vorliegt oder nicht. Unser oberstes Ziel ist es dabei, eine gemeinsame, für alle Parteien zufriedenstellende Lösung zu finden – und nicht eine*n Schuldige*n. Im Idealfall gelingt uns eine außergerichtliche Streitbeilegung. Die Belastung und Aufregung eines Gerichtsprozesses möchten wir nach Möglichkeit immer vermeiden“, betont Dr. Bachinger.
Wie können Betroffene Kontakt mit einer Patientenanwaltschaft aufnehmen?
Die Patientenanwaltschaften in den Bundesländern können einfach und unkompliziert kontaktiert werden: per Telefon, E-Mail, Post oder persönlich. Es handelt sich um eine Serviceleistung für alle Bürger*innen; sämtliche Dienstleistungen sind kostenlos.
Die Verantwortlichkeitsbereiche der Patientenanwaltschaften unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Für den Spitalsbereich sind sie in allen Bundesländern zuständig, bei Problemen im niedergelassenen Bereich beziehungsweise in Pflegeheimen und anderen Einrichtungen des Gesundheitssystems (REHA, Rettungswesen, Ambulatorien, etc.) gibt es länderspezifische Unterschiede (siehe https://www.gesundheit.gv.at/gesundheitsleistungen/institutionen/patientenanwalt)
Auch gut zu wissen: Zuständig ist immer die Patientenanwaltschaft jenes Bundeslandes, in welchem die betreffende Gesundheitseinrichtung liegt, gegen die Beschwerde eingereicht wird. Der Wohnsitz des*der Patient*in ist nicht relevant.
Was können Patientenanwaltschaften nicht leisten?
Streitigkeiten vor Gericht fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Patientenanwaltschaften. „Wir können außergerichtlich unterstützen und Lösungen anbieten, wir können aber nicht in gerichtlichen oder behördlichen Verfahren vertreten oder helfen“, macht Dr. Bachinger deutlich. Auch dürfen die Patientenanwaltschaften nicht mit den „Patientenanwält*innen gemäß Unterbringungsgesetz“ verwechselt werden. Die letztgenannten sind im Bereich der psychiatrischen Einrichtungen für die Patientenvertretung zuständig und haben andere Aufgaben als die Landes-Patientenanwaltschaften.
Herr Dr. Bachinger, Ist das derzeit vorhandene Informationssystem für österreichische Patient*innen bei der Wahl einer Klinik ausreichend?
Die Website des Gesundheitsministeriums www.kliniksuche.at liefert eine wissenschaftlich fundierte Ergebnisqualitätsmessung (A-IQI). Es handelt sich hierbei um eine objektive Analyse und keine subjektiv-geprägten Erfahrungsberichte. Wünschenswert ist es, diese Daten in aufbereiteter Form den Bürger*innen zur Verfügung zu stellen. Hier gibt es in Österreich noch Aufholbedarf. In Deutschland ist die Situation wesentlich weiter entwickelt. Dort gibt es beispielsweise die „Weiße Liste“ der Bertelsmann-Stiftung.
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Klinikguide.at-Autorin: Irene Senn
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