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Die Eroberung des medSPACE
Medizin der Zukunft, Teil 1: Wie die Vermittlung von anatomischem Wissen dreidimensional wurde.

Die Digitalisierung durchdringt mittlerweile alle Lebensbereiche und bereichert auch die Welt der Medizin. Die Medizinische Fakultät der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz geht dabei noch einen Schritt weiter: Studierende können Anatomie im medSPACE der JKU virtuell erlernen, dank Cinematic Rendering sogar in Kinoqualität. Warum Linz hier eine Vorreiterrolle einnimmt, wie die moderne Technologie funktioniert und wo sie bereits im klinischen Alltag zum Einsatz kommt, erklären Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Fellner, Vorstand des Zentralen Radiologie Instituts am Kepler Universitätsklinikum und Lehrender an der JKU, DI (FH) Roland Haring vom Ars Electronica Futurelab und Dr. Klaus Engel von Siemens Healthineers.

 

Wie kam es dazu, dass an der Medizinischen Fakultät virtuelle Anatomie unterrichtet wird?

 

Franz Fellner (FF): 2015 haben wir im DeepSpace des Ars Electronica Centers (AEC) mit virtueller Anatomie für alle begonnen, das hat sehr großen Anklang bei den Besucher*innen gefunden. Die Studierenden des 3. und 4. Semesters wurden dann auch einige Jahre lang dort unterrichtet – seit einem Jahr finden die Vorlesungen in virtueller Anatomie und Pathologie nun aber in unserem eigenen medSPACE statt.

 

Roland Haring (RH): Der DeepSpace ist 2009 eröffnet worden. Wir haben bereits seit 1996 mit verschiedenen Virtual-Reality-Systemen gearbeitet, aber hatten immer das Problem, dass diese nicht von größeren Besucher*innengruppen gleichzeitig genutzt werden konnten. Daraus ist die Idee des DeepSpace entstanden, mit einer Wand- und Bodenprojektion, wo mit Echtzeitgrafik interaktiv Medien erzeugt werden können. Ca. 2014 haben wir begonnen, ein Rendering-Programm zu entwickeln, um auszuprobieren, ob man die sogenannten DICOM-Daten aus Schnittbildern von Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) im DeepSpace erlebbar machen kann und wie es wirkt, wenn anatomische Strukturen metergroß und dreidimensional im Raum schweben, die man manipulieren und von verschiedenen Perspektiven betrachten kann. Wir haben schon sehr früh gesehen, dass da ein enormes Potenzial besteht. Allerdings haben wir bei Weitem nicht die visuelle Qualität erreicht, die nun der Cinematic Renderer ermöglicht.

 

Wie funktioniert das Cinematic Rendering?

 

Klaus Engel (KE): Wie der Name Cinematic Rendering schon sagt, wollten wir mit dieser Technologie genau solche fantastischen Bilder erzeugen, wie sie auch im Kino gezeigt werden. Wir setzen dafür eine ähnliche Technik wie in der Kinoindustrie ein, z. B. sehr komplexe Beleuchtungen, in die die DICOM-Datensätze gesetzt werden. Hinter Cinematic Rendering steckt ein sehr komplexes Rechenverfahren, das die Physik des Lichtes simuliert, also wie sich die Photonen im Raum bewegen, bis sie letztendlich auf unsere Augen treffen und ein Bild erzeugen. 2014 haben wir den ersten Prototypen entwickelt, welcher dann 2015 durch die Initiative von Prof. Fellner im AEC installiert wurde.

 

DI (FH) Roland Haring vom Ars Electronica Futurelab (links) und Dr. Klaus Engel von Siemens Healthineers. Foto: MTF

 

Gibt es Projekte wie DeepSpace und medSPACE auch außerhalb von Linz?

 

KE: Diese Kombination von extrem hochauflösender Projektion mit hochqualitativer Darstellung von medizinischen Daten, die direkt aus dem Scanner kommen, ist wirklich einzigartig. Soweit ich weiß, gibt es viele Anfragen, sie auch an anderen Orten der Welt zu installieren.

 

RH: Wir haben bereits verschiedene Projekte realisiert, wo man so etwas wie den DeepSpace als temporäre oder permanente Installation aufgebaut hat. In einem Science Center in Mexiko haben wir quasi eine 1:1-Kopie vom DeepSpace realisiert. Außerdem sind wir darum bemüht, Lösungen wie den medSPACE auch medizinischen Einrichtungen wie Universitäten oder Medizinmuseen zur Verfügung zu stellen.

 

Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Fellner, Vorstand des Zentralen Radiologie Instituts am Kepler Universitätsklinikum und Lehrender an der JKU. Foto: JKU

 

Wo kommt das Cinematic Rendering im klinischen Alltag zum Einsatz?

 

KE: Cinematic Rendering ist seit 2015 fester Bestandteil unserer Post-Processing-Software – das heißt, alle Daten, die mit einem CT- oder MR-Scanner von Siemens Healthineers gewonnen werden, können per Knopfdruck in ein Cinematic-Rendering-Bild umgewandelt werden.

 

FF: Ursprünglich wurde es für diagnostische Zwecke in der Radiologie entwickelt, eignet sich aber für die Anatomie viel besser. In der Routinediagnostik wird daher keine Zeitenwende kommen, wo man alles in 3D darstellt – denn damit sieht man nur die Oberfläche und nicht in die Tiefe der Strukturen. Aber für einige Bereiche eignet sich 3D sehr gut, z. B. um bei Brüchen darzustellen, wie die Knochenteile gegeneinander verschoben sind. Auch die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen verwenden Rendering-Systeme schon seit vielen Jahren, um ihre Operationen zu planen. Für die Darstellung der Aorta, etwa bevor ein Stent gesetzt wird, und auch vor anderen Gefäßeingriffen generieren wir in der Klinik standardmäßig 3D-Datensätze.

 

KE: Neben dem Einsatz in der Lehre und der Chirurgie ist auch die Patient*innenkommunikation ein wichtiges Thema. In Erlangen arbeiten wir beispielsweise mit Rheumatolog*innen zusammen, um die Patient*innen zu motivieren, ihre Medikamente einzunehmen und ihren Lebensstil zu ändern. Man kann ihnen dank des Cinematic Renderings konkret zeigen, wie sich ihre Anatomie, z. B. in Bezug auf Knochenerosionen, verändert und wie sich der Knochenabbau durch die therapeutischen Maßnahmen verringert.

 

Von welchen technischen Neuerungen können Patient*innen zukünftig außerdem profitieren?

 

KE: Die Bildqualität von medizinischen Scannern verbessert sich laufend, wir haben gerade sogenannte Photon-Counting-Scanner auf den Markt gebracht, wo man bei CT-Bildern jetzt Strukturen voneinander differenzieren kann, die man früher nicht unterscheiden konnte. Aber auch bezüglich Software tut sich unglaublich viel, gerade, was die künstliche Intelligenz (KI) angeht. Z. B. wird sie in der Strahlentherapie-Planung eingesetzt, um die Strukturen rund um den Tumor zu schonen und die Strahlung bestmöglich auf den Tumor konzentrieren. Die Bestrahlung wird also für die spezielle Anatomie der Patient*innen optimiert.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Klinikguide.at-Autorin: Mag. Marie-Thérèse Fleischer, BSc