Univ.-Prof.in Dr.in Petra Krepler, Leiterin des Wirbelsäulenzentrums Wien-Speising
DAS SAGT DIE FACHÄRZTIN. „Die Entscheidung zur geeigneten Operationsmethode muss von dem*der Arzt*Ärztin gemeinsam mit dem*der Patient*in nach entsprechender Untersuchung, Durchführung der geeigneten Diagnostik und nach Ausschluss konservativer Maßnahmen gefällt werden“, nennt Univ.-Prof.in Dr.in Petra Krepler, Leiterin des Wirbelsäulenzentrums Wien-Speising, Kriterien, die über die passende Therapieform entscheiden. Bei circa 87 Prozent der Patient*Innen bessert sich ein Bandscheibenvorfall unter konservativer Behandlung wie einer entzündungs- und schmerzhemmenden Medikation, spezieller Lagerungsmaßnahmen und Physiotherapie innerhalb von sechs bis acht Wochen von selbst. Es bleiben also rund zehn bis 13 Prozent, die operiert werden müssen – zum Beispiel, weil Lähmungserscheinungen ein rasches Handeln indizieren. Auch eine hohe Schmerzintensität, die für Betroffene über mehrere Wochen nicht ertragbar ist, spricht für eine Operation. Krepler: „Dabei stehen Verfahren unterschiedlicher Invasivität zur Verfügung. In seltenen Fällen kann es notwendig werden, dass bei entstandenen Instabilitäten oder hochgradig abnützungsbedingten Veränderungen auch eine Stabilisierungsoperation durchgeführt werden muss.“
DIE BEHANDLUNGSMETHODEN. Es gibt unterschiedliche Operationsverfahren: Die meisten Eingriffe können minimalinvasiv über einen kleinen Hautschnitt durchgeführt werden. Lediglich in schweren Fällen oder wenn mehrere Bandscheiben operiert werden müssen, kommt die offene Operation mit einem größeren Hautschnitt zur Anwendung.
MINIMALINVASIVE OP-METHODEN
- Mikrochirurgischer Eingriff: Diese sehr häufig angewendete Operationstechnik erfordert nur einen kleinen Hautschnitt auf Höhe des ausgetretenen Bandscheibenmaterials. Mithilfe eines Operationsmikroskops kann das vorgefallene Gewebe entfernt werden – das führt zu einer Entlastung der Nerven und des Rückenmarks.
- Endoskopische Chirurgie: Die Operation erfolgt über einen winzigen Einstich mit einer Hohlnadel. Über eine Art Schlüsselloch wird ein Endoskop, eine schlauchartige, schmale Sonde, die mit einer winzigen Kamera ausgestattet ist, in den Körper eingebracht. Das Spezialgerät kann danach behutsam durch den Nervenwurzelkanal navigiert werden – unter weitgehendem Erhalt aller stabilisierenden Strukturen der Wirbelsäule, sprich der Bänder, Muskeln und Knochen.
- Perkutane Laser Diskus Dekompression (PLDD): Sowohl beim mikrochirurgischen als auch beim endoskopischen Verfahren kommt bedarfsweise ein Laser zum Einsatz. Durch kurze Lichtblitze können auch jene Bandscheibenanteile verdampft werden, die mit feinen Fasszangen nicht erreichbar oder durch Vernarbungen und Verkalkungen schwer entfernbar sind.
- Chemonukleolyse: Diese Methode ist nur dann eine Therapieoption, wenn der Faserring völlig intakt ist. Über eine Kanüle wird ein Enzym namens Chymopapain in die betroffene Bandscheibe injiziert. Das aus Papaya-Früchten gewonnene Extrakt sorgt dafür, dass sich der Gallertkern verflüssigt. Im Anschluss kann sein Volumen durch Absaugen reduziert werden.
VERSTEIFUNGS-OPERATION UND EINSATZ EINER KÜNSTLICHEN BANDSCHEIBE
Manchmal reduziert ein fortschreitender Verschleiß der Wirbelsäule den Abstand zwischen den Wirbeln – die Wirbelsäule verkürzt sich und wird instabiler. Um ihre Stabilität bestmöglich zu erhalten und wichtige Strukturen wie das Rückenmark und die Aorta zu schützen, kann die Wirbelsäule operativ versteift werden. Bei einer Versteifungs-OP verbindet man einzelne Wirbelkörper durch Platten und Schrauben miteinander und stellt sie auf diese Weise ruhig – die Wirbelkörper können ihre Funktion als Gelenke dann nicht mehr ausüben.
Um den Höhenverlust zwischen den Wirbeln zu korrigieren und die Wirbelsäule zu stabilisieren, kann bei schweren Bandscheibenschäden die Transplantation von künstlichen Bandscheiben eine Option sein: Bandscheibenprothesen tragen zur besseren Beweglichkeit in einem von Degeneration betroffenen Segment der Wirbelsäule bei.
Rückenschmerzen werden durch ein Zusammenspiel aus Bewegungsmangel, Fehlbelastung und psychischen Faktoren wie Stress bedingt.
DAS KRANKHEITSBILD. Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Schmerzformen überhaupt. Bei neun von zehn Patient*innen sind sie funktionell, das heißt keiner konkreten anatomischen Ursache zuordenbar: Vielmehr wird das Leiden durch ein Zusammenspiel aus Bewegungsmangel, Fehlbelastung und psychischen Faktoren wie Stress bedingt. Demgegenüber stehen spezifische Schmerzursachen: Sie können ihren Ausgangspunkt an unterschiedlichen Strukturen des Rückens nehmen – unter anderem an den Bandscheiben.
Wenn der Faserring der Bandscheibe einreißt und Kernmasse nach außen dringt, spricht man von einem Bandscheibenvorfall – der Wirbelkanal wird dann vorübergehend eingeengt. Ob ein Bandscheibenprolaps Beschwerden verursacht und welche Symptome konkret mit ihm verbunden sind, hängt davon ab, wie groß er ist und ob Nerven beziehungsweise Nervenwurzeln beteiligt sind. Je nachdem, in welchem Abschnitt der Wirbelsäule der Bandscheibenvorfall auftritt, zählen Rückenschmerzen, Taubheitsgefühle oder Kribbeln sowie Schmerzen, die in Extremitäten und Po ausstrahlen, zu den häufigsten Symptomen.
Eine Operation ist dann erforderlich, wenn konservative Therapien nicht anschlagen oder wenn Lähmungserscheinungen oder Gefühlsstörungen auftreten: Ein medizinischer Notfall liegt bei einem Kaudasyndrom vor. Die Cauda equina ist eine Ansammlung von Nervenwurzeln innerhalb der unteren Wirbelsäule: Wird sie gequetscht, lässt sich die Entleerung von Blase und Enddarm oft nicht mehr kontrollieren. Um irreparable Schäden wie das Absterben von Nervenwurzeln, eine dauerhafte Lähmung und Inkontinenz zu vermeiden, sollte möglichst innerhalb der ersten sechs Stunden nach erstmaligem Auftreten der Symptome operiert werden.
GUT ZU WISSEN. Die Bandscheiben – geniale Stoßdämpfer der Wirbelsäule …
… ihre Anatomie
Die Bandscheiben, auch Zwischenwirbel genannt, machen rund 25 Prozent der Gesamtlänge der Wirbelsäule aus. Ihre Dicke nimmt von der Hals- zur Lendenwirbelsäule hinzu.
Jede Bandscheibe besteht aus
- einem zentral gelegenen Gallertkern (Nucleus pulposus)
- einem äußeren Faserring (Anulus fibrosus)
- zwei knorpeligen Deckplatten
… ihre Funktion
Wir springen, wir tanzen, wir laufen – Tausende Male im Leben. Ebenso husten und niesen wir: Bis zu 150 Kilogramm wirken dabei auf die untere Lendenwirbelsäule ein. Dass die Wirbelsäule diesen extremen Belastungen standhält, verdankt sie einem äußerst widerstandsfähigen System: den Bandscheiben, insgesamt 23 an der Zahl. Jede Bandscheibe besteht aus einem faserigen Ring, der fest mit den darüber- und darunterliegenden Wirbelkörpern verbunden ist, und einem fast flüssigen Kern, der einem flexiblen Wasserkissen gleicht. Wie Stoßdämpfer federn die Bandscheiben Erschütterungen ab und verhindern, dass die Wirbel aneinander reiben. Die kleinen anatomischen Wunderwerke können jedoch noch mehr: Sie tragen wesentlich zur Flexibilität der Wirbelsäule bei: Ohne die Bandscheiben wären Bewegungsabläufe wie Beugen, Strecken oder Drehen nicht möglich.
… über ihre Gesunderhaltung
Anders als Muskeln und Knochen, die mit dem Blutkreislauf verbunden sind, fehlt den Bandscheiben ein eigenes Gefäßversorgungssystem. „Hunger“ haben sie dennoch, und auf Sauerstoff und Nährstoffe sind sie ebenfalls angewiesen: Ihre Ernährung erfolgt über Diffusion, also durch einen durch Bewegung und Kompression ausgelösten Flüssigkeitsstrom: Vor allem in der Nacht saugt die Bandscheibe Wasser und Nährstoffe aus der sie umgebenden Gewebeflüssigkeit auf. Unter Druck wird sie wiederum ausgepresst wie ein nasser Schwamm – Stoffwechselabfälle werden ausgespült. Bildhaft gesprochen, fungiert körperliche Aktivität als Snack für die Bandscheiben – sie trägt entscheidend zu ihrer Versorgung und damit zur Aufrechterhaltung ihrer Elastizität bei. Bewegung erfüllt aber noch einen weiteren Zweck: Die Muskulatur, die das Rückgrat umschließt, hat einen dämpfenden Effekt auf die kleinen Zwischenwirbeln: Kräftige Muskeln federn einen Teil der einwirkenden Kräfte ab und bewirken so eine Entlastung der Bandscheiben.
Klinikguide-Autorin: Mag.a Sylvia Neubauer
Bildnachweise:
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