Univ.-Prof.in Dr.in Ameli Yates, suppl. Leiterin der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie, Univ.-Klinik für Chirurgie, LKH-Univ. Klinikum Graz
DAS SAGT DIE FACHÄRZTIN. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, um die Durchblutung der Koronargefäße wiederherzustellen: Mittels Aufdehnung eines oder mehrerer Herzkranzgefäße bei der Herzkatheteruntersuchung (Koronarangiographie) durch das Legen eines Stents oder durch eine operative Versorgung – die Bypass-Operation. Welche Variante besser geeignet ist, entscheiden die Kardiolog*innen und Herzchirurg*innen je nach individueller Ausgangslage. Die Details erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Ameli Yates, suppl. Leiterin der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie, Univ.-Klinik für Chirurgie, LKH-Univ. Klinikum Graz: „Wir haben drei große Herzkranzgefäße, die das Herz mit Blut und somit mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Wenn nun alle drei Gefäße oder der Hauptstamm eine Verengung aufweisen, dann ist eine Aufdehnung der Gefäße und das Setzen eines Stents nicht zielführend oder zu risikoreich. In diesem Fall ist ein Umgehungskreislauf in Form eines Bypasses effektiver, und es werden gleich mehrere Bypässe gelegt.“ Sind hingegen zwei Gefäße verengt, hängt das Vorgehen von der Lokalisation der Engstelle ab, während man bei der Verengung eines Gefäßes zumeist mit einem Stent das Auslangen findet, so die Expertin. „Diabetiker*innen wiederum profitieren eher von einer Bypass-Operation als von einem Stent, da bei ihnen häufig längere Gefäßabschnitte von Stenosen betroffen sind, die sich nach einer Versorgung aufgrund der Zuckerkrankheit rascher wieder verengen können.“
Als Bypass-Material kommen körpereigene Arterien und Venen zum Einsatz. Univ.-Prof.in Dr.in Yates erklärt: „Sie werden in die Herzkranzgefäße so eingenäht, dass die verengten Stellen umgangen werden und der Blutfluss wiederhergestellt ist. Die Venen werden im Zuge dieser Operation dem Ober- oder dem Unterschenkel entnommen. Die Arterien stammen entweder aus dem Unterarm oder von der linken oder rechten Brustwandarterie. Arterien weisen dabei eine längere Lebensdauer als Venen auf und werden daher öfter verwendet. Welche Gefäße für den Bypass in Frage kommen, muss man von Fall zu Fall individuell entscheiden. Die Länge eines Bypasses beträgt zumeist zwischen 15 und 20 Zentimeter und liegt praktisch als neues Gefäß außen am Herzen an.“
Sinnvollerweise begeben sich die Patient*innen etwa vier Wochen nach einer Bypass-OP in ein spezielles Rehabilitationszentrum, berichtet die Expertin. „Während des vierwöchigen Aufenthaltes lernen sie einen herzfreundlichen Lebensstil kennen (siehe Infokasten). Außerdem bekommen sie lebenswichtige Medikamente, die dazu beitragen, das Risiko für weitere Gefäßverengungen zu minimieren. Dazu zählen Blutdruck- oder Cholesterinsenker, Betablocker und Aggregationshemmer wie Aspirin. Drei Monate nach der OP gibt es einen Kontrolltermin in der herzchirurgischen Ambulanz. Weitere kardiologische Kontrollen sind zweimal jährlich notwendig, diese können bei niedergelassenen Kardiolog*innen erfolgen. Dabei wird die Gesundheit des Herzens unter anderem mit Hilfe von EKG, Ultraschall und der Bestimmung wichtiger Laborwerte untersucht. Nach einer Bypass-OP ist ein normales Leben wieder möglich – eigentlich sogar ein besseres Leben, da die Gefahr eines erneuten Herzinfarktes nun minimiert wurde.“
DIE BEHANDLUNGSMETHODEN. Die Operation findet unter Vollnarkose statt. Mehrere Herzchirurg*innen arbeiten bei der Operation parallel, um zunächst die Brustwandarterien, Armarterien oder Venen aus den Beinen zu entnehmen und als Bypass-Material vorzubereiten. Den Zugang zum Herzen erlangt man, indem das Brustbein in der Mitte längs durchtrennt wird. Danach wird der Herzbeutel eröffnet. Die Herzchirurg*innen nähen dann die Bypässe an die Herzkranzgefäße und verbinden sie am anderen Ende mit der Aorta, der Hauptschlagader, damit ein Blutzustrom zum Herzmuskel stattfinden kann. Falls Brustwand-Arterien als Bypass-Material verwendet werden, ist der letzte Schritt nicht notwendig, da die Arterie am oberen Ende nicht abgetrennt wird und dadurch der natürliche Blutzustrom in das Gefäß erhalten bleibt. Es gibt zwei grundlegende Herangehensweisen bei dieser Operation: entweder schließt man den*die Patient*in an eine Herz-Lungen-Maschine an oder man operiert am schlagenden Herzen. Die Operation dauert, je nachdem, wieviele Herzkranzgefäße mit Bypässen versorgt werden müssen, rund drei bis fünf Stunden. Das Brustbein wird mit Hilfe von Stahldrähten verschlossen. Welche Arterien und Venen sich als Bypass-Material eignen, erklärt die Expertin in ihrem Statement.
- OP mit Herz-Lungen-Maschine: Der Großteil der Patient*innen bringt die nötigen Voraussetzungen mit, um die Operation bei ruhendem Herzen durchführen zu können. Hierzu wird das Herz dank einer Elektrolytlösung für die Dauer der Operation stillgelegt. An seiner Stelle übernimmt die Herz-Lungen-Maschine die wichtige Aufgabe, Kohlenstoffdioxid aus dem Blut zu filtern und die roten Blutkörperchen stattdessen mit Sauerstoff zu beladen. So bleiben alle wichtigen Organe auch ohne Herzschlag ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Sobald der Bypass an Ort und Stelle gelegt ist, beginnt die Durchblutung wieder, und das Herz beginnt zu schlagen. Dann kann die Herz-Lungen-Maschine entfernt werden.
- OP am schlagenden Herzen: Diese Variante nennt man auch Off-pump-Verfahren oder in Kurzform OPCAB. Das Verfahren eignet sich vor allem für jene Patient*innen, bei denen die Aorta schon sehr verkalkt ist – so kann man verhindern, dass sich von dort Kalkpartikel lösen und diese zum Beispiel ein Gefäß im Hirn verstopfen (Schlaganfall). Auch Patient*innen, deren Allgemeinzustand schlecht ist, können von dieser Operationsvariante profitieren. Damit die Bypass-Gefäße mit den Koronararterien vernäht werden können, müssen nur Teilbereiche der Herzoberfläche mit speziellen Halterungen für kurze Zeit ruhiggestellt werden.
- Minimalinvasiver Eingriff: Sofern nur eine Koronararterie – und zwar die linke vordere – von einer Stenose betroffen ist, muss man nicht am offenen Herzen operieren. Stattdessen geht man minimalinvasiv vor. In diesem Fall wird ein kleiner Schnitt unter der linken Brust gesetzt, über den jene Arterie erreicht werden kann, die anschließend als Bypass dienen soll: die Brustwandarterie.
So funktioniert die Bypass-Operation: Als Bypass-Material kommen körpereigene Arterien und Venen zum Einsatz.
DAS KRANKHEITSBILD. Eine Bypass-Operation kann bei denjenigen Patient*innen zur Linderung ihrer Beschwerden führen, die eine koronare Herzkrankheit (KHK) aufweisen. Jene äußert sich durch Enge- und Druckgefühle in der Brust sowie Atemnot, die aufgrund einer Verengung (Stenosierung) der Herzkranzgefäße (Koronararterien) zustandekommt. Die Symptome können entweder nur bei Belastung oder auch ohne Vorankündigung in Ruhe auftreten. Die Bypass-Operation ist allerdings nicht die einzige Möglichkeit, um eine Revaskularisation der Herzkranzgefäße, also eine erneute Durchblutung, herbeizuführen. So können etwa auch Stents oder eine Aufdehnung der Gefäße mittels Ballon eingesetzt werden. Allerdings gibt man der Bypass-Operation den Vorzug, wenn der Hauptstamm betroffen ist oder mehrere Stellen innerhalb der Koronararterien verengt sind.
GUT ZU WISSEN: Herzgesund leben nach der Bypass-OP
- Ernährung: Eine mediterrane Ernährung ist für das Herz besonders gesund. Diese beinhaltet viel Gemüse und Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Olivenöl, Fisch und eine reduzierte Menge an Fleisch, Milchprodukten und Alkohol. Übergewicht soll am besten noch vor der Operation reduziert werden.
- Rauchen: Ein Rauchstopp sollte ebenfalls am besten schon vor der Operation stattfinden, da so das Atmen nach der Operation leichter fällt.
- Bewegung: Wenige Wochen nach der OP können Patient*innen auch wieder längere Spaziergänge machen. Nach ein bis zwei Monaten ist Sport wieder möglich – die Art und Dauer des Trainings soll aber mit einem*einer Ärzt*in abgesprochen werden.
- Blutwerte: Menschen mit einem koronaren Bypass müssen ihre Blutzucker-, Blutdruck- und Cholesterinwerte im Auge behalten. Eventuell kann die regelmäßige Einnahme von Medikamenten nötig werden, um die Gefäßgesundheit zusätzlich zu verbessern.
- Stress: Starke Belastungen – sowohl psychischer als auch körperlicher Natur – sollen Patient*innen nach Möglichkeit reduzieren und auch genügend Zeit für Entspannung einplanen.
Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz, Abteilung: Universitätsklinik für Chirurgie
Klinikguide-Autorin: Mag.a Marie-Therese Fleischer
Bildnachweise:
- © Shutterstock
- © M. Kanizaj / LKH-Univ. Klinikum Graz
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