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Meine OP: Magen-Operationen bei Adipositas (Bariatrische Operationen)
Im Durchschnitt leben Patient*innen mit Adipositas acht bis zehn Jahre kürzer als Normalgewichtige.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Heinz Wykypiel, Leiter der Bariatrischen Chirurgie an der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie in Innsbruck

DAS SAGT DER FACHARZT. Adipositas ist eine komplexe Stoffwechselerkrankung mit breitem Ursachengeflecht: Neben dem Lebensstil wirken in ihrer Entstehung auch familiäre und genetische Dispositionen mit, die das Hunger- und Sättigungsempfinden regulieren. Mangelnder Wille spielt, wie fälschlicherweise oft vermutet wird, eine untergeordnete Rolle. „Wenn jemand zehn Kilo zuviel hat, dann lässt sich mit eiserner Disziplin ein nachhaltiger Gewichtsverlust erreichen. Bei Menschen mit einen BMI von 35 oder darüber sind Diäten jedoch wenig wirkungsvoll“, sagt Heinz Wykypiel, Leiter der Bariatrischen Chirurgie an der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie in Innsbruck: „Aus großen Studien weiß man, dass die Rückfallrate nach konservativen Abnehmversuchen bei 96 Prozent liegt.“

 

Das ist weniger ein kosmetisches als vielmehr ein medizinisches Problem: „Ab einem BMI zwischen 32 und 35 steigt die Mortalität überproportional an“, sagt Wykypiel. Je nach Gewicht und Ausgangssituation sinkt die Lebenserwartung von adipösen Menschen um bis zu 15 Jahre. „In dieser Gewichtsklasse ist die bariatrische Chirurgie die einzige Therapiemethode, die nachhaltig und im großen Stil hilft.“ Sie wirkt sich unter anderem positiv auf die Zucker- und Fettstoffwechsel aus – die Wahrscheinlichkeit, an Begleiterkrankungen zu sterben, nimmt deutlich ab. Dennoch und das sollte trotz guter Erfolgsquote berücksichtigt werden, „sind bariatrische Operationen keine Lifestylemaßnahme, um schnell schlank werden zu können“, gibt der Chirurg zu bedenken. Wie andere Operationen, bergen auch bariatrische Eingriffe ein Komplikationsrisiko, zum Beispiel in Form von Leckagen der inneren Nähte, Blutungen und Wundheilungsstörungen. Postoperativ bedürfen die Patienten einer lebenslangen multimodalen Nachsorge und einer zusätzlichen Supplementierung von Vitaminen und Spurenelementen, um Mangelzuständen vorzubeugen.

DIE BEHANDLUNGSMETHODEN. Alle bariatrischen Operationen zielen darauf ab, die Energiezufuhr der Patienten dauerhaft zu drosseln: In Abhängigkeit von der angewandten Methode verändern sich Nahrungsaufnahme, Nährstoffaufnahme und/oder bestimmte Stoffwechselprozesse.

 

Wirkmechanismen

 

  • Einschränkung des Nahrungsvolumens (Restriktion)
    Wenn sich der Magen füllt, wird durch die Spannung der Magenwand ein Sättigungsreiz an den Hypothalamus, den Vermittler zwischen Hormon- und Nervensystem, gemeldet. Durch die Bildung eines sehr kleinen Magens – nicht größer als eine Espressotasse – tritt dieses Sättigungsgefühl früher ein: Es können nur mehr sehr kleine Nahrungsmengen aufgenommen werden.

 

  • Verminderung der Nahrungsverwertung (Malabsorption)
    Durch die Teilumgehung des Dünndarms, entweder durch Umleitung (Bypass) und/oder Teilung (Diversion) desgleichen, wird die Aufnahme der Nährstoffe ins Blut eingeschränkt und damit auch die Kalorienzufuhr vermindert: Einen Teil der Nährstoffe scheidet der Körper unverdaut wieder aus.

 

  • Positiver Einfluss auf den Stoffwechsel (Hormoneller Effekt)
    Gastrointestinale Hormone – also solche, die Magen und Darm beeinflussen – wirken entweder appetitstimulierend oder appetithemmend. Auf den Chefsesseln thronen das „stets hungrige“ Ghrelin und das „rasch satte“, Glucagon-ähnliche Peptid 1, kurz GLP-1: Die Entfernung von Magengewebe verändert diesen hormonellen Regelmechanismus, wodurch das Hungergefühl abnimmt.

 

Häufig angewandte Operationsmethoden

Die Wahl des Verfahrens erfolgt individuell unter Einbezug der medizinischen sowie der psychischen, sozialen und allgemeinen Lebensumstände des*der Patient*in: Ein ausschlaggebendes Kriterium ist das Ausgangsgewicht.

 

  • Schlauchmagen (Gastric Sleeve, GS)
    Bei dieser mittels Schlüssellochchirurgie (laparoskopisch) durchgeführten Operation werden 80 bis 90 Prozent des Magens entfernt – übrig bleibt ein schmaler Schlauch, durch den deutlich weniger Nahrung aufgenommen werden kann. Der Wegfall jener Magenanteile, in dem das Hormon Ghrelin gebildet wird, schränkt außerdem das Hungergefühl ein.
    Die Funktionalität des Magens bleibt erhalten: Die Magendarm-Passage wird durch den chirurgischen Eingriff nicht verändert. Manchmal kommt diese Methode auch als sogenannter Ersteingriff (Bridging) zur Anwendung, mit nachfolgender Magenbypass-Operation oder Diversion mit Switch.

 

  • Magenbypass (proximaler Roux-en-Y-Magenbypass)
    Diese Methode kombiniert eine Magenverkleinerung mit einer Umgehung des oberen Dünndarms. Im ersten Schritt trennt der*die Chirurg*in einen kleinen Vormagen – einen Pouch – mit einem Fassungsvolumen von 15 bis 20 ml vom restlichen Magen ab (zum Vergleich: Normalerweise kann der Magen etwa 1.200 ml fassen). Im zweiten Schritt wird die kleine Magentasche so mit dem Dünndarm verbunden, dass die Nahrung den Zwölffingerdarm und die ersten 200 cm des Dünndarms umgeht: Verdauung und Nährstoffaufnahme finden auf verkürztem Verdauungskanal statt. Dadurch wird weniger Nahrung absorbiert und größtenteils mit dem Stuhl wieder ausgeschieden.

 

  • Biliopankreatische Diversion mit oder ohne Duodenal-Switch
    Dabei wird der Magen verkleinert und mit einer tiefen Dünndarmschlinge verbunden – unter Ausschaltung des Zwölffingerdarms und des oberen Dünndarms. Durch den deutlich verkürzten Darmabschnitt ist die Nährstoffaufnahme stark eingeschränkt.
    Der Duodenal-Switch ist eine Variante der biliopankreatischen Diversion: Durch Erhalt des Magenpförtners (Pylorus) soll eine Sturzentleerung aus dem Magen („Dumping“) vermieden werden, die sich unter anderem ungünstig auf die Blutzuckerregulation auswirkt.

 

  • Magenband
    Das Magenband hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren und wird nur mehr nach besonderer Abwägung transplantiert. Durch Anbringung eines Silikonbands um den oberen Anteil des Magens, bildet sich eine sehr kleine Magentasche mit einem minimalen Füllungsvolumen von 15 ml. Das verstellbare Magenband hat eine Flüssigkeitskammer, die von außen über ein sogenanntes Portsystem mit Kochsalzlösung gefüllt werden kann: Auf diese Weise lässt sich die Weite des Bandes regulieren.

So funktioniert die Magen-Operationen bei Adipositas: Je nach Gewicht und Ausgangssituation sinkt die Lebenserwartung von adipösen Menschen um bis zu 15 Jahren.

DAS KRANKHEITSBILD. Menschen mit krankhaftem Übergewicht, sogenannter morbider Adipositas, leiden nicht nur unter ihrem Gewicht, sondern auch an Begleit- und Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sowie an bestimmten Krebserkrankungen. Komorbiditäten wie diese treten bei adipösen Patient*innen gehäuft auf und sind mit einem vorzeitigen Sterberisiko assoziiert.

 

Maßnahmen zur Änderung des Lebensstils bilden die Basis in der Behandlung von Übergewicht. Bei morbider Adipositas (ab einem BMI von 35 kg/m²) bringen sie jedoch nicht immer den gewünschten Erfolg. Wenn konservative Behandlungsmethoden, die ihren Fokus auf das Ernährungs- und Bewegungsverhalten richten, voll ausgeschöpft sind, kann eine Adipositas-OP (auch bariatrische Operation genannt – abgeleitet von báros, zu Deutsch: „Schwere“) eine weitere Therapieoption darstellen. Je nach Operationsverfahren lässt sich das Gewicht auf diese Weise um bis zu 75 Prozent reduzieren.

Landeskrankenhaus Universitätskliniken Innsbruck, Abteilung: Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie

 

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Klinikguide-Autorin: Mag.a Sylvia Neubauer